08.Mai – Tag der Befreiung

Unser Redebeitrag von der 08.Mai Kundgebung:

Für uns Antifaschist:innen ist der 8. Mai ein Feiertag, aber auch ein Tag des Gedenkens an diejenigen, die an der Befreiung vom Faschismus gewirkt und für sie millionenfach ihr Leben hingegeben haben: An die Soldatinnen und Soldaten der Roten Armee und der alliierten Streitkräfte und den antifaschistischen Widerstand.

80 Jahre sind vergangen, ein Menschenalter, seit Hammer und Sichel über dem Reichstag wehten. 80 Jahre seit die 2. US-Infanteriedivision kampflos in Göttingen einzog und auch in unserer Stadt die Zeit des Faschismus an der Macht beendete. Dafür sind wir dankbar. Diese Dankbarkeit gilt jenseits aller weltpolitischen Entwicklungen und staatlicher Vorgaben. An vielen Orten in Deutschland ist heute das Zeigen von sowjetischen Fahnen und Symbolen verboten. Am 8. Mai ist diese geschichtsrevisionistische Haltung deutscher Regierungen und Polizeibehörden eine besondere Schande.

Als das faschistische Deutschland am 8. Mai 1945 besiegt war, nach Vernichtungskrieg, Shoah und 27 Millionen Toten allein in der Sowjetunion hieß es aus Moskau: „Diktatoren kommen und gehen, das deutsche Volk bleibt.“ Gerade wir Deutschen sollten uns an diese Unterscheidung zwischen Herrschenden und Beherrschten erinnern. Genauso, wie wir uns der darin zum Ausdruck gebrachten Milde der Befreier erinnern sollten. Denn die Siegermächte verfolgten keine Politik der Rache, sondern eine der Wiedergutmachung. Lasst uns also heute ohne Einschränkung merci, spasiba, thank you sagen. Im Andenken an den Preis der Befreiung und in der Hoffnung, dass überall auf der Welt die Diktatoren gehen und nie mehr zurückkommen mögen.

Hier am Gedenkstein des antifaschistischen Widerstands wollen wir heute auch allen Gedenken, die vor und nach der Machtübergabe an die Nazis Widerstand geleistet und gelebt haben. Im Gebäude hinter mir, im damaligen Polizeigefängnis wurden hunderte Antifaschistinnen und Antifaschisten eingesperrt, gedemütigt und zum Teil in die Konzentrationslager verschleppt. Es waren vor allem Menschen aus der Arbeiter:innenbewegung, aus KPD, SPD und Internationalem Sozialistischen Kampfbund, die in der sogenannten Schutzhaftwelle 1933 und bei späteren Verfolgungen hier eingesperrt waren. Von über 111 von ihnen kennen wir die Namen. Ich will heute stellvertretend die Namen der drei Frauen nennen, die ab dem 1. März 1933 während der Schutzhaftwelle hier eingesperrt waren: Die Genossinnen Elisabeth Vogel, Else Heinemann und Paula Leicher. Sie alle waren Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands.

Um die Welt mit seinem Raub- und Vernichtungskrieg zu überziehen, musste der deutsche Faschismus damals zuerst die deutsche Arbeiter:innenbewegung unterdrücken, die auch eine internationalistische Bewegung gegen Krieg war. In tiefer Anerkennung blicken wir heute auf den antifaschistischen Kampf unserer Genoss:innen. Ein Kampf der trotz aller Gewalt selbst in den KZs noch anhielt. Wer konnte ging ins Exil, wo viele unter neuen Schwierigkeiten weiter Widerstand leisteten. 5000 deutsche Antifaschisten kämpften in den Internationalen Brigaden in Spanien, viele weitere in den Widerstands- und Partisanenbewegungen anderer Länder.

Vom dänischen Exil aus beobachtete Berthold Brecht die Geschehnisse in Deutschland und begann die Arbeit an seiner Kriegsfibel: Bilder aus Zeitungsausschnitten mit dichterischem Kommentar. Ein Bild zeigt Hitler bei einer Rede in einer Waffenfabrik. Hinter ihm eine große Flugabwehrkanone. Brecht schreibt darunter:

„Seht ihn hier reden von der Zeitenwende.

s`ist Sozialismus, was er euch verspricht.

Doch hinter ihm, seht. Werke eurer Hände:

Große Kanonen, stumm auf euch gericht’.

Heute mehr als 80 Jahre später kennen wir wieder solche Bilder von Politikern in Waffenfabriken. Auch das Wort Zeitenwende kennen wir gut. Sozialismus wird nicht mehr versprochen, aber Krieg. Krieg spätestens in fünf Jahren. Weltkrieg vielleicht. Das hier könnte der letzte Sommer im Frieden sein, heißt es drohend. Und wie Brecht schon damals erkannte heißt Krieg nach außen immer auch Krieg nach innen. Wir sehen es am Programm der neuen Bundesregierung: Angriff auf den 8-Stundentag, noch mehr Gängelung von Arbeitslosen, neue Unmenschlichkeiten gegen Geflüchtete und Alle die sich vermeintlich nicht wehren können. Überall Einsparungen und gleichzeitig absurde Summen für Kriegsgerät.

Materiell soll bald alles bereit sein für den großen Krieg. Noch aber fehlt die entscheidende, die moralische Komponente: Die Bevölkerung soll die Kriegsvorbereitung und den Krieg wollen. Wir und unsere Kinder und Kindeskinder sollen wieder bereit werden für sie zu töten und zu sterben. Und dafür braucht es auch wieder Hass, Hetze und Chauvinismus. Dafür braucht es, in letzter Konsequenz, auch wieder Faschisten und Faschismus.

Liebe Freundinnen und Freunde. 80 Jahre sind eine lange Zeit. Diejenigen, die mahnen konnten, verlassen uns. Was Krieg bedeutet weiß ich nicht aus eigener Erfahrung, aber aus unserer Geschichte, aus den Berichten der Zeitzeugen und aus der Erfahrung unserer Vorkämpferinnen, weiß ich – wir müssen ihn verhindern.

Nie wieder Faschismus!

Nie wieder Krieg!