Macht und Einfluss der kapitalistischen Klasse basieren auf der Aneignung des Mehrwerts, den wir Arbeiter*innen produzieren. Wenn uns jemand auf der Straße in die Tasche greift, begreifen wir sofort: Das ist Diebstahl. Die kapitalistische Klasse unternimmt große Anstrengungen, um ihren systematischen Diebstahl an uns als „natürlich“ und „die Beste aller Welten“ zu verkaufen. Dazu investiert sie einen Teil ihres Profits in Medien, Lobbygruppen, Interessensverbände und Parteien. Dadurch hat sie trotz ihrer kleinen Zahl einen großen direkten und indirekten Einfluss auf Medieninhalte, Parteiprogramme und die öffentliche Meinung.
Die größten Vorteile unserer Klasse sind ihre Größe und ihre zentrale Stellung im Produktionsprozess. Wir besitzen ein Machtpotenzial. Ein zentrales Interesse des Kapitals ist deshalb die Demobilisierung und Spaltung unserer Klasse. In unserem Land verstehen sich viele Menschen, die faktisch zur Arbeiter*innenklasse gehören, selbst nicht mehr als Arbeiter*innen. Neben der Meinungsmache der Herrschenden gibt es dafür weitere Gründe. Unsere Klasse verändert sich in dem Maße wie sich auch die gesamte Gesellschaft geschichtlich verändert. Eine durchschnittliche Arbeiterin mag heute anders aussehen, ihre Stellung im Produktionsprozess unterscheidet sich aber nicht von ihren Vorgängerinnen vor 100 oder 150 Jahren. Arbeiter*innenklasse, dass ist immer noch die große und wachsende Mehrheit der Menschen, die ihre Arbeitskraft verkaufen müssen und ihren Lohn in abhängiger Beschäftigung erarbeiten.
Tatsächlich haben aber auch strukturelle Änderungen zu einer Zersplitterung der Klasse beigetragen. „Homeoffice“, Zeit- und Leiharbeit, Digitalisierung und „Outsourcing“ – technische und politische Entwicklungen sind am Gesicht unserer Klasse nicht spurlos vorbeigegangen. Durch „Gastarbeiter“, Arbeitsmigration und Flucht ist die ethnisch-kulturelle Zusammensetzung vielfältiger als die der herrschenden Klasse. Und schließlich leben wir seit mehreren Jahrzehnten in einem neoliberalen und postmodernen Zeitalter, dass uns Individualität als oberstes Ideal verkauft. Über alle realen oder eingebildeten Unterschiede hinweg wird unsere Klasse aber durch ihre objektive Lage und ihre geteilten Interessen verbunden. Egal, ob wir lieber Bier oder Chai trinken, ob wir lieber Röcke oder Hosen tragen, ob wir religiös sind oder nicht – wir alle wollen einen guten Lohn, Sicherheit gegenüber dem Chef, eine Rente, von der man leben kann, mehr Zeit für unsere Hobbies und Liebsten, und bloß keine Mieterhöhung. Wir haben Klasseninteressen. Diese handfesten gemeinsamen Interessen bilden die Grundlage für gemeinsame Kämpfe und ein mit diesen Kämpfen entstehendes und wachsendes Klassenbewusstsein.